TRANSFORMATION VIII ⎜2018

Anton Kats ▪ Soran Ahmed

Workshop: Januar – Juni 2018 Ausstellung: 23. Juni – 6. Juli 2018

Ausstellungseröffnung: Freitag, 22. Juni, 18 Uhr mit Martin Hikel, Bezirksbürgermeister des Bezirks Berlin-Neukölln, Karin Korte, Bezirksstadträtin für Bildung, Schule, Kultur und Sport des Bezirks Berlin-Neukölln, und Sascha Wenzel, Geschäftsführer der Freudenberg Stiftung. Kuratorin: Silvia Ploner.

Grundriss

Die achte TRANSFORMATION war eine Kollaboration von Anton Kats und Soran Ahmed mit Abdulbaghi, Adelisa, Ahmad E.-N., Ahmed Z., Alpay, Awreen, Bissan, Ebru, Esra, Fouad, Ibrahim Can, Imad, Klaudiusz, Malek, Melda, Mikail, Najma, Nedzmije, Omar, Samira, Sofia, Şüheda, Umer, Ümit und Zeinab von der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli – CR².

Hinter diesem mehrmonatigen Projekt stand die Idee einer Partitur für einen basisdemokratischen Schulentwurf, entwickelt mit Methoden der künstlerischen Forschung und der Kunstvermittlung. Ziel war es, ein flexibles Koordinatensystem zu schaffen, das zusammen mit den Schülerinnen und Schülern einen Raum entstehen lässt, in dem verschiedene Perspektiven auf Schule entwickelt, kritisch reflektiert und partizipativ ausprobiert werden können. Ausgangspunkt und roter Faden waren dabei der langjährige Transformationsprozess der Rütli-Oberschule zur Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli – CR². Methodisch arbeiteten Kats und Ahmed mit Vorgehensweisen der Theater und Musikimprovisation, der Feldforschung und Psychogeografie wie auch mit der Praxis der Selbstorganisation unter Verwendung der Medien Radio, Film, Fotografie und Klang. Im Laufe des Workshops wurden verschiedene Methoden gemeinsam erprobt, situativ modifiziert und immer wieder angepasst. Auf diese Weise konnten die Schüler*innen Aspekte von Partizipation und künstlerischer Qualität erfahren und mitentwickeln.

Teile des gemeinsam entwickelten Koordinatensystems wurden am Ende in der Temporären Galerie für die Öffentlichkeit begehbar. Installiert war eine Radiostation, durch die die Jugendlichen während des Workshops gemeinsame Gespräche in die unmittelbare Nachbarschaft gesendet hatten, gemeinsam mit einem Videozusammenschnitt dieser Gespräche. An einer Wand hingen verschiedene Grundrisse der Schule, gefüllt mit Aktivitäten, die sich die Schülerinnen und Schüler in ihr wünschten. Begleitet waren beide Installationen von symbolträchtig kopfüber unter die Decke montierten alten Schulstühlen. Diese Spuren der gemeinsamen Suche nach Methoden für das Schaffen von Möglichkeitsräumen innerhalb des Systems Schule versammelten sich unter dem Titel „Grundriss“.

  Workshop von Anton Kats und Soran Ahmed mit Schüler*innen einer 10. Klasse der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli – CR², begleitet durch den Klassenlehrer Tobias Nolte. Projekttage, Januar bis Juni 2018.

Der Workshop war entlang zweier Examen strukturiert. Examen I bestand im kreativen Erarbeiten von Fragen, Examen II darin, diese Fragen über einen in der Temporären Galerie installierten offenen Radiokanal zu diskutieren. Die Schüler*innen setzten die Schwerpunkte beider Examen selbst, Ahmed und Kats gingen situationsbezogen auf sie ein, indem sie von Treffen zu Treffen immer neue Methoden des Zusammenseins und -denkens einbrachten. Wurde zum Beispiel die Frage gestellt, warum der Schulalltag nicht aktiver und mehr im Freien stattfindet, gab es in der Folgestunde einen gemeinsamen Spaziergang durch den Stadtteil. Diese »Feldforschung« war von Methoden der Psychogeografie inspiriert. Die Jugendlichen sollten den Grundriss der Schule auf einen Stadtplan von Neukölln legen und, vom Schulgrundriss geleitet, von einem Punkt A zu einem Punkt B gehen. Was sie dort antrafen wurde dokumentiert, die Erfahrung später in der Gruppe besprochen. Während der immer wieder stattfindenden Gespräche wurden – unter der Prämisse »Es gibt keine falschen Fragen« – Fragen für die Radio- und Videosendung gesammelt, aus der Examen II bestand: Wann fängt der Kunstprozess an? Warum haben wir gefrühstückt? Was hat das mit Kunst zu tun? Was hat Schul-Spazierengehen für einen Zweck? Was können wir an der Schule einführen? Wo sind wir hingelaufen? Was kann man mit Kunst erreichen? Warum machen wir Vertrauensspiele? Was suchen wir in der Schule? Die Ausstellungsbesucher*innen konnten die gesammelten Fragen in einem kleinen Heft nachlesen, während die Antworten der Schüler*innen in der Videoinstallation zu hören waren.

Anton Kats

Anton Kats (geb. 1983 in Cherson, UA) ist bildender Künstler, Musiker und Tänzer. Er studierte am Institut für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin sowie Interaktive Medien: Kritische Theorie und Praxis am Goldsmiths, University of London – ein Studiengang, den er mit einer praxisbasierten Promotion abschloss. Er war Dozent am Goldsmiths, an der New York University, der Ravensbourne University London und der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Kats entwickelt praxisorientierte Forschungsprojekte, mit denen er die Ambiguität der Kunstpraxis als Frage von Wirkung und Intentionalität untersucht und dabei ortsspezifische Arbeiten entwickelt, die sich mit Strukturen von Selbstorganisation, Selbsterziehung, marginalisierten Menschen und dem Nicht-Normativen beschäftigen. Dazu konzipiert er ortsspezifisch immer wieder neue Lernplattformen in Kollaboration mit lokalen Gruppen. Kats’ Ziel ist es, das Potenzial von Zusammenarbeit innerhalb formaler und informeller sozialer Strukturen zu erforschen und kollektiv nützliche Methoden zu entwickeln, die es Menschen ermöglichen, selbstständig Maßnahmen zu ergreifen.

Soran Ahmed

Soran Ahmed (geb. 1980 in Sulaimaniyya, IQ) ist Filmemacher und bildender Künstler mit den Schwerpunkten Kunst im öffentlichen Raum und Kunstvermittlung. Er lebt und arbeitet in Berlin. Ahmed studierte Freie Kunst an der Kunstakademie in Sulaimaniyya im Irak und am Institut für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin. In seinen Arbeiten untersucht er soziale Aspekte der Kunst. Er fragt ortsspezifisch immer wieder danach, von wem und wie die gesellschaftliche Rolle von Kunst und Kultur definiert wird. Ahmed entwickelt seine Projekte oft in Kollaboration mit verschiedenen generationsübergreifend zusammengesetzten sozialen Gruppen und erforscht mit unterschiedlichen Methodiken deren Lebensweise und Urbanität. In seinen experimentellen Film- und Videoarbeiten erkundet er soziale Zwischenräume und die Entwicklung der steigenden Privatisierung unserer Lebensräume. Ahmed leitet regelmäßig Medien-Workshops für Kinder und Jugendliche.


 

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