Griechenland Reise, Jugend- und Freizeitclub Manege ⎜ August 2016
Reisebericht der Manege Pädagog*innen:
Motivation Schwerpunkte der Arbeit der Manege sind Freizeitgestaltung, Hausaufgabenhilfe und Kulturarbeit, wie Theater und Reisen. Auf Grund der Flüchtlingssituation in Berlin im Sommer 2015 erweiterte die Manege ihre Arbeit um die Unterstützung für Menschen mit Fluchterfahrung. Zielgruppen waren geflüchtete Familien und Kinder, die Hilfe und Unterstützung bei der Erstaufnahmestelle am Landesamt für Soziales und Gesundheit (LaGeSo) brauchten. In dieser Zeit engagierten sich neben den Mitarbeiter*innen der Einrichtung, insbesondere auch die Jugendlichen Besucher*innen der Manege. In Zusammenhang dieses Engagements und der damit verbundenen Problematik am LaGeSo entstand die Idee, einen Filmworkshop mit allen Beteiligten durchzuführen. Dieser sollte den Jugendlichen die Möglichkeit bieten ihren Frust über die dramatische Situation bzw. die Fluchtgeschichten der Menschen sichtbar zu machen und die eigenen Erfahrungen nach außen zu transportieren.
Leitfragen Bis zu diesem Zeitpunkt unterstützten die Besucher*innen der Manege Menschen mit Fluchterfahrung in ihrem direkten Umfeld (Sozialraum). Auch der Film bezog sich bis zu diesem Zeitpunkt auf die Problematik für Neuankommende in Berlin. Das Interesse der Jugendlichen für den internationalen politischen Diskurs wurde größer, so diskutierten die Jugendlichen häufig über die politischen Entscheidungen der deutschen Regierung bzw. Europas. Insbesondere die Schließung der Grenzen beschäftigte die Jugendlichen sehr, sie verfolgten die internationalen Nachrichten mit besonderer Aufmerksamkeit. Die Situation für Flüchtlinge in Griechenland an der mazedonischen Grenze berührte die Jugendlichen nachhaltig. Es entstand die Idee für eine Reise nach Griechenland, um den Menschen direkt vor Ort zu helfen und sich ein eigenes Bild über die aktuellen Lebensbedingungen in den griechischen Camps zu machen. Die Jugendlichen recherchierten selbstständig und fanden heraus, dass in verschiedenen Camps insbesondere Arabisch sprechende Dolmetscher gebraucht wurden. Da die meisten Besucher*innen einen arabischen oder türkischen Hintergrund haben, sahen sie die Chance Menschen durch ihre Sprachkenntnisse zu unterstützen. Ein weiteres Anliegen war ihre Reise filmisch zu dokumentieren, um ihre gesammelten Bilder und Geschichten in den aktuellen Film einfließen zu lassen. Hier war das selbst gesetzte Ziel, den Menschen in den Camps eine Stimme zu geben und diese an die Öffentlichkeit zu bringen.
Rahmenbedingungen Für das pädagogische Team der Manege bedeutete das ganz konkret: Die Jugendlichen wollten nach Griechenland, an die mazedonische Grenze und die Menschen, gemeinsam mit den vor Ort aktiven Helfer*innen/Organisationen, unterstützen. Zudem ist das Reisen seit Jahren ein wichtiger pädagogischer Schwerpunkt der JFE Manege, da viele der Besucher*innen, aufgrund ihrer familiären Strukturen und finanziellen Lage, ohne die Einrichtung nicht die Möglichkeiten hätten ihren gewohnten Sozialraum zu verlassen. Zum einen werden während der Reisen die Beziehungsarbeit und der Zusammenhalt unserer Besucher*innen untereinander intensiviert und zum anderen können die Pädagog*innen auf Reisen viele intensive Gespräche führen, die im Alltag so nicht möglich wären. Auf den Reisen lassen insbesondere viele Jugendliche ihre harte Schale fallen und dieses ermöglicht ihnen sich selbst neu zu entdecken, die eigene Persönlichkeit weiter zu entwickeln und ihren Horizont zu erweitern.
Reisebericht Im August 2016 reisten ein Sozialarbeiter und eine Erzieherin mit einer Gruppe von sechs Jugendlichen aus der Manege im Alter von 16 bis 18 Jahren für zehn Tage nach Thessaloniki. Die Gruppe wurde von der Filmemacherin, Kamerafrau und Workshopleiterin Verena Vargas Koch begleitet. Im Laufe der Reise besuchte die Gruppe zwei Camps in verschiedenen Städten bzw. Dörfern an der mazedonischen Grenze. Die Jugendlichen verbrachten mehrere Stunden und Tage in den Camps und durften, nach ihren Aussagen, wundervolle Menschen kennenlernen. Menschen die sehr viele Hürden auf ihrem Weg in die Sicherheit meistern mussten, die mehrere Monate und zum größten Teil bis heute noch getrennt von ihren Familien leben müssen. Menschen die auf ihrer Flucht immer wieder von Gewalt, Rassismus und Diskriminierung betroffen sind. Alle Jugendlichen waren schockiert über die dramatischen Lebensumstände der Bewohner*innen in den abgesperrten Camps. Die Menschen lebten in provisorischen Zelten, teilweise seit mehr als einem Jahr. Es fehlte an Essen, Hygieneartikeln, Kleidung, Schlafsäcken, Betten, uvm. Am meisten schockierte die Gruppe jedoch die Perspektivenlosigkeit, da keiner der Bewohner*innen eine Auskunft darüber erhielt, was in Zukunft mit ihnen passieren würde. Zudem waren viele Familienangehörige auf der Flucht getrennt und in andere Länder verschickt worden. Immer wieder sagten die Bewohner*inne, sie wollen einfach nur nicht vergessen werden und ein würdevolles selbstbestimmtes Leben führen. Den Jugendlichen war es ein Anliegen diese Aussagen mit nach Deutschland zu nehmen. Sie wollten die Stimme sein, für all die Menschen in den Camps in ganz Europa. So führten sie viele Interviews mit Menschen in den Camps und schrieben ihre Gedanken in kleinen Erfahrungsberichten nieder. In Thessaloniki besuchten die Jugendlichen zwei NGO'S um mehr über ihre soziale Arbeit in den Camps und ihre Meinung zur politischen Situation in Griechenland zu erfahren, hierfür führten sie zwei Interviews mit einer Sozialarbeiterin und der Leitung einer NGO. Zudem besuchten sie ein griechisches Jugendzentrum, welches sich für die Begegnung von Schutzsuchenden und einheimischen Jugendlichen einsetzt. Am Ende der Reise wurde die gesamte Gruppe von den Radiomoderatoren des griechischen Starclassic Radio gefragt, ob sie Zeit und Lust hätten ein Interview über ihr Engagement in Berlin zu geben und Fragen zu ihrem Besuchen in den griechischen Camps zu beantworten. Der Besuch beim Radio und das Live-Interview waren ein besonderes Erlebnis für Alle.
Film Nach ihrer Rückkehr präsentierten die Jugendlichen ihren erarbeiteten Trailer zum Griechenlandfilm innerhalb einer Ausstellung in Berlin. Während einer Podiumsdiskussion lasen sie ihre persönlichen Erfahrungsberichte vor und beantworteten im Anschluss viele Fragen. Nach einem sehr positiven Feedback des Publikums entstand die Idee, zukünftig andere junge Menschen – in Form von Vorträgen über die Reise nach Griechenland – für die aktuelle „Flüchtlings- und Asylpolitik“ zu sensibilisieren und auf Missstände aufmerksam zu machen. Das Schneiden und besonders das Übersetzen des Filmmaterials war eine wichtige Aufgabe, die von den Jugendlichen gemeinsam mit der Filmemacherin nach der Reise umgesetzt wurde. Ziel ist es, bis Ende April den 90-minütigen Dokumentarfilm fertig zu stellen.